Mittwoch, 6. April 2011

Nennt ihn Ismael Teil 3

Und so geht es weiter:


Der Wind säuselte durch die Schlucht aus Beton, Glas und Stein. Jeder Schritt den er tat hallte wider an den Wänden, an den großen Leistungen seiner Vorfahren, die hier zu beider Seiten seines Weges emporragten. Von jenen Vorfahren hatte er einst viel gelernt, er war Teil ihrer Geschichte gewesen, doch nun sind sie nur noch Teil seiner eigenen Geschichte und in dieser auch nur noch eine Erzählung. Das Heben seines Kopfes bereitete ihm Schmerzen, jede einzelne Bewegung glich einem Schmerz. Sein Blick war jedoch weiter auf den grauen Boden vor ihm gerichtet. Denn so wusste er, dass er stets in der Nähe der Erde verweilte, er immer in der Lage war, sich hinzusetzen und zu ruhen.
Denn genau das war seine größte Angst. Die Stille die ihn umgab, war vollkommen. Es war nicht so, dass man nichts hören konnte, doch, die Dinge die man hörte, bestätigten die Stille nur noch weiter in ihrem Zwecke der Einsamkeit. Denn das einzige Lebendige, das auch nur im Ansatz in der Lage wäre diese Stille zu durchringen, das war er selbst. Doch Selbstgespräche sollen nicht Kern einer Erzählung sein. Denn die Facetten eines oder mehrerer Leben werden erst durch die Betrachtung des anderen Individuums zu dem was sie sein sollte, die Geschichte.
Mit dem Wind kam nicht nur ein neuer Lufthauch in diese Schlucht aus Kargheit, er brachte auch ein für diesen Ort eher Befremdliches mit sich, er konnte nicht genau zuordnen, was es war, was der Wind brachte, es erregte aber seine Aufmerksamkeit, so vernachlässigte er wieder vollkommen seine anderen Sinne. Er hatte in der jüngeren Vergangenheit verlernt mehreren Sinnen zur selben Zeit Gehör zu schenken. Es kam selten vor, dass er mehr als ein oder zwei Sinneseindrücke wahrnahm. Was allerdings auch daran lag, dass die Abwechslung sich eher in Grenzen hielt. Es schien fast, als ob seine Wahrnehmung in eine gewisse Monotonie versunken sei. Allerdings, sobald er doch mal etwas registrierte, das nicht in diese Einseitigkeit gehörte, was nicht bedeutet, dass er es nicht kannte, sondern lediglich,, dass dieses Gefühl der Wahrnehmung jener Sache schlicht und ergreifend nicht mehr teil seines Lebens war, dann sog er diese willkommene Abwechslung in sich auf, er vergaß alles um sich herum. Er ergötzte sich an dieser einen Sache. So auch zu diesem Zeitpunkt, als der Wind durch die Schlucht dahin jagte, brachte er ihm etwas an dem er sich laben konnte. Ein Geruch, der in dieser Welt eigentlich höchst befremdlich schien.
Es war ein Geruch der nur von einem anderen Lebewesen abgesondert werden konnte, doch was war das für ein Lebewesen? Er konnte es nicht zuordnen. Er hatte vergessen, dass es einst eine Vielfalt gab. Aber er wusste genau, dass es etwas war, das er kannte, er konnte sich nur nicht erinnern. Dennoch entfachte diese kleine Sache in ihm eine gewaltige Euphorie. Er wollte wissen was ihn da anlockte. War die Einsamkeit vielleicht doch nicht so vollkommen, wie es ihm erst erschien, oder war das nur ein Echo seines eignen Geistes, eine Fatahmorgana des Geruchs.
Seine Augen waren wieder da, vor ihm war eine weite Fläche, die Fläche befand sich in einer wellenartigen Bewegung, aber dennoch schwieg sie. Ihre Geometrie war chaotisch und begrenzt. Zu beider Seiten war sie eingekesselt durch hohe Mauern, die bis zum Himmel reichten. Farben konnte er keine erkennen. Entweder weil keine mehr existierten, oder weil er nicht mehr wusste, was Farben waren, dass er verlernt hatte Farben zu sehen. Er wusste aber, dass jene Ebene zu seinen Füßen dunkler war als am Horizont und er wusste auch, dass die Wände weiter oben ebenfalls nicht jener Dunkelheit entsprachen, welche man ansonsten hier rings um ihn herum vorfand.

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